Zwettl


Gemeinde Zwettl-Niederösterreich

Sog. "Zwettler Stadtrecht"

Am 28. Dezember 1200 stellte Herzog Leopold VI. zwei für die Region bedeutsame Urkunden aus, eine für das Stift, mit der er das Kloster in seine Vogtei nahm und damit seiner Gerichtsbarkeit unterstellte, und eine für die Siedlung Zwettl. Diese zweite Urkunde ist jene für Zwettl so bedeutende Urkunde, die als das sog. "Zwettler Stadtrecht" bezeichnet wird. Der Herzog stattete die Zwettler mit den gleichen Rechten aus, wie sie bereits die Kremser Bürger besaßen, und er wünschte ausdrücklich, dass "seine Zwettler Bürger", urbanos nostros zwetlenses, in ihren wirtschaftlichen Bemühungen Erfolg haben mögen.
Es handelt sich bei dieser Urkunde allerdings nicht um eine ausdrückliche Verleihung von Stadtrechtsprivilegien, wie sie zum Beispiel 1212 Enns und 1221 Wien verliehen wurden. Welche Rechte die Kremser um 1200 hatten, ist leider nicht bekannt. Nach einer zeitgenössischen Notiz auf der Rückseite des Dokuments sah man im 13. Jahrhundert in der Zwettler Urkunde vor allem wirtschaftliche Privilegien wie Maut- und Zollrechte. In der Folgezeit wurde die Urkunde mehrfach bestätigt, so von König Rudolf I. 1280 und Herzog Albrecht II. 1330. Mit Recht kann sie daher als das grundlegende Dokument der Stadtentwicklung und städtischen Identität Zwettls gelten.
Völlig ungeklärt ist im Zusammenhang mit der Urkundenausstellung allerdings die Rolle der Kuenringer, zu deren Herrschaftsgebiet Zwettl damals gehörte, die aber als Zeugen beider Urkunden fehlen. Vermutet werden Spannungen zwischen dem Herzog und seinen mächtigen Ministerialen unter der Führung von Hadmar II., der die Burgstadt Zwettl anlegen ließ und zu den großen Förderern des Klosters zählte. Im Zwettler Stifterbuch, der "Bärenhaut", wird er als zweiter Stifter gewürdigt. Seine Abwesenheit unter den Zeugen ist besonders auffällig. Es ist durchaus denkbar, dass Leopold VI. mit beiden Urkunden ein klares Zeichen seiner landesherrlichen Macht- und Besitzansprüche gegenüber den Kuenringern, den einstigen "Dienstleuten" der Babenberger, setzen wollte, die im Lauf des 12. Jahrhunderts zu einem der mächtigsten Adelsgeschlechter des Landes aufgestiegen waren und ihre eigenen Interessen verfolgten. Auch wenn die Hintergründe nicht bekannt sind, war das landesfürstliche Interesse an den Verhältnissen im Waldviertel letztlich entscheidend für die Entwicklung der Stadt zum Handelszentrum der Region.